Tauffeier  05.07.2009
Donnerstag, 8:10 Uhr. Kölnisch Wasser auf den Teppich
gespritzt. Riecht fein. Mama böse. Kölnisch Wasser ist
verboten.
8:45 Uhr: Sollte Milch trinken. Wollte aber Wasser.
Wutgebrüll ausgestoßen. Mama sauer.
9:00 Uhr: In Küche gewesen, rausgeflogen.Küche ist
verboten.
9:30 Uhr: In Papas Arbeitszimmer gewesen.
Rausgeflogen, Arbeitszimmer auch verboten.
10:00 Uhr: Schrankschlüssel abgezogen. Damit gespielt
Mama wußte nicht wo er war. Ich auch nicht. Mama hat
geschimpft.
10:20 Uhr: Rotstift gefunden. Tapete bemalt. Ist verboten.
10:40 Uhr: Stricknadel aus Strickzeug gezogen und
krumm gebogen. Zweite Nadel in Sofa gesteckt.
Stricknadel sind verboten. Danach auf Sofa rumgehüpft,
hüpfen auch verboten.
11:00 Uhr: Zigarette zerbrochen. Tabak drin. Schmeckt
nicht gut.
11:45 Uhr: Tausendfüßler bis unter Mauer verfolgt. Dort
Mauerrassel gefunden. Sehr interessant, aber verboten.
12:15 Uhr: Dreck gegessen. Aparter Geschmack, aber
verboten.
12:30 Uhr: Beim Mittagessen Salat ausgespuckt.
Ungenießbar. Ausspucken dennoch verboten.
13:15 Uhr: Mittagsruhe im Bett. Nicht geschlafen.
Aufgestanden und auf Deckbett gesessen. Gefroren.
Frieren ist verboten.
14:00 Uhr: Nachgedacht. Festgestellt, daß alles verboten
ist. Wozu ist man überhaupt auf der Welt ?
Ein ungeborenes Zwillingspärchen unterhält sich im Bauch
seiner Mutter:  “Sag mal, glaubst du eigentlich an ein Leben
nach der Geburt?” fragt der eine Zwilling. “Ja auf jeden Fall!
Hier drinnen wachsen wir und werden stark für das, was
draußen kommen wird.” Antwortet der Zwilling. “ Ich glaube,
das ist Blödsinn!” Sagt der Erste. Es kann kein Leben nach
der Geburt geben - wie sollte das Bitteschön aussehen?”
“So ganz genau weiß ich das auch nicht. Aber es wird sicher
viel heller als hier sein. Und vielleicht werden wir rumlaufen
und mit dem Mund essen?” “So einen Unsinn habe ich noch
nie gehört!! Mit dem Mund essen, was für eine verrückte
Idee! Es gibt doch die Nabelschnur, die uns ernährt. Und wie
willst du herrumlaufen? Dafür ist die Nabelschnur viel zu
kurz!” “Doch, es geht ganz bestimmt. Es wird eben alles nur
ein bisschen anders”. “Du spinnst, es ist noch nie einer
zurückgekommen von ´nach der Geburt`. Mit der Geburt
geht das Leben zu Ende. Punktum!” “Ich gebe ja zu, dass
keiner weiß, wie das Leben nach der Geburt aussehen wird.
Aber ich weiß, dass wir dann unsere Mutter sehen werden
und sie wird für uns sorgen”. “Mutter??? Du glaubst doch
wohl nicht an eine Mutter? Wo ist die denn bitte”? “ Na hier
überall um uns herum. Wir sind und leben in ihr und durch
sie. Ohne sie könnten wir gar nicht sein!” “Quatsch! Von
einer Mutter habe ich noch nie etwas bemerkt; also gibt es
sie auch nicht!” “Doch, manchmal, wenn wir ganz still sind,
kannst du sie singen hören. Oder spüren, wenn sie unsere
Welt streichelt.......”
Aus dem Tagebuch eins Zweijährigen
Gibt es ein Leben nach der Geburt